Ich knie vor einem flachen Holztisch, direkt neben dem Buffet. Vor mir stehen 20 dünne Porzellantässchen und der Bottich, der das schwarze Gold beinhaltet. Der Dampf zieht sichtbar aus der Kanne. Es duftet nach Hochland. Kaffee macht die Leute munter und aufgeregt, wie der Verkehr in dieser Stadt voller Staub. Als ich heute morgen, kurz vor Sonnenaufgang die Muniye Street entlang lief, stolperten zwei Touristen lachend und küssend aus einem der Nachtclubs. Sie sprachen so, wie die Menükarte im Gusto auf der Churchill Avenue klingt und fragten mich, ob ich einen Ort für guten Kaffee kennen würde. Ich schüttelte den Kopf, obwohl es bei uns im Hotel den besten Kaffee von Addis Abeba gibt. Sagt zumindest die Chefin. Ich darf in jeder Schicht zwei Tassen trinken. Den Touristen und reichen Geschäftsleuten von hier serviere ich seit 4 Monaten sechs Tage die Woche, 10 Stunden pro Tag das schwarze Aufgebrühte. Ich nehme, wenn einer Kaffee bestellt, mein Tablett, stelle das Porzellan darauf, die Zuckerschale und den Bottich und stehe kurz darauf vor den Gästen. Die meisten schauen groß, wenn ich vor ihnen eingieße. Die Chefoberin serviert das Essen, ich den Kaffee. Es ist ein ganz okayer Job. Jedenfalls besser als die Zimmer zu säubern. Dreckige Wäsche einsammeln ist eklig und manchmal kamen mir manche Gäste zu nahe. Sie umfassten meine Hüfte, ich schüttelte stumm den Kopf und schämte mich drei Tage lang. Eines Tages sah die Chefin, wie mir einer der alten Männer seine Hände auf die Taille legte. Am nächsten Tag setzte sie mich hinter den Kaffee. Nächste Woche werde ich 16. Bereket, mein großer Bruder, der beste große Bruder der Welt, sagt seit Wochen, er habe eine Riesenüberraschung für mich. Er kann so etwas nie für sich behalten. Er denkt, er erzählt nichts, dabei sagt er Sachen wie: „Wir werden rausfahren aus Addis“ oder: „Du wirst es lieben.“ Ich glaube es erst, wenn ich es sehe, aber ich bin mir sicher, dass er mir die Löwen zeigen will. Seit wir ganz klein sind, wollen wir Löwen kucken gehen. Mit 16, finde ich, kann man das dann endlich mal machen. Der Tourist in dreckigem Hemd und Bart bestellt schon seinen dritten Kaffee. Will der ewig wachbleiben? Ich balanciere das Tablett auf der einen Hand, gebe mit der anderen Hand ein bisschen Zucker in das Porzellan und winkle den Bottich an. Das leise Glucksen in der Tasse, der sanfte Dampf und die erstaunten Blicke der Gäste. Manchmal, das muss ich zugeben, ist dieser Job schon ganz okay.
( Dieser Text ist im Januar 2019 in Addis Abeba/Äthiopien entstanden. Er basiert auf wahren Begebenheiten und ist doch ausgedacht)